Anfang der 80ziger Jahre etablierte sich im Rock`n Roll Club Schaumburg eine neue Gemeinschaft. Es waren überwiegend junge Leute mit einem unverkennbaren Outfit. Die Jungen trugen hautenge Jeans, Schuhe mit dicken Kreppsohlen und immer eine gut gestylte Haartolle. Die Mädchen, Haarfrisur und Kleider im Stil der 50ziger Jahre, mehrere Petticoat und Nylons mit Naht.
Ihre Symbole war die Rebellflag (die Südstaatenfahne aus dem amerikanischen Bürgerkrieg von 1863). Sie nannten sich die Rockabillys, in verkürzter Form auch die Teds. Ihr Musikstiel leicht erkennbar am harten und sehr schnellen Rhythmus. Man tanzte selten als Pärchen, sondern überwiegend allein oder auch in der Gruppe.
Diese Gemeinschaft fand bei den jungen Leuten so einen Zulauf, dass der Rock‘n Roll Club Schaumburg den Ted´s Club Schaumburg gründete. In seiner besten Zeit kamen fast 200 Besucher, sogar aus Hamburg, Kassel und Braunschweig zu den Clubabenden bei Bartels Ruh in Gelldorf (das Lokal ist heute abgerissen) und später auch im Schützenhaus Stadthagen.
In dieser Zeit war die Rebellband Matchbox auf Tournee in Frankreich. Zwangsläufig ergab es sich, dass Kitty Kienapfel und Horst Dieter Scheele eine Busreise nach Lille organisierte.
Im vollbesetzten Bus ging es Freitagabend mit entsprechender Musik vom Clublokal in Rolfshagen los. Vormittags in Lille angekommen war freier Ausgang. Am Spätnachmittag traf man sich und fuhr zum Treffpunkt.
Eine leere Firmenhalle, Stahlfussboden und Betonwände. An einer Wand die Bühne, Lautsprecher größer als ich und zwei übereinander. Bis 8 Uhr war die große Halle gefüllt. Die meisten französischen Rockebillys trugen lange bunte Jacken, große Haartollen und Schuhe mit Kreppsohlen, so dick wie eine Speckseite.
Gleich zu Beginn der Aufführung legte die Matchboxband fest, wer jetzt den Ton angibt und die französischen Billys zeigten wie getanzt wird, einfach toll, ein Wahnsinn. Mit Gespür steigerte Matchbox die Stimmung und heizten den Besuchern und Tänzer richtig ein. Der riesige Raum war erfüllt von einer gespannten Stimmung, die Lautstärke und der Rhythmus der Musik benebelte den Verstand.
Als ich den Gedanken fasste, ein paar Bilder direkt an der Bühne zu machen brach der Höhepunkt an. Der Frontmann Jimmy Redhead zog einen riesigen Revolver und schoss mit Platzpatronen an die Decke. Kurz darauf wurden Leuchtraketen gezündet, die einen Sternenregen über die ganze Bühne und Teile der Halle legte. Die Klänge des Rebellen Dixi (Hymne der Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg) kam aus den riesigen Boxen und flutete die Halle, das die Luft vibrierte. Gettysburg in den 80ziger Jahren des 20zigsten Jahrhundert. Als ich mich nach meinem unverzüglichen Rückzug wieder sammeln konnte stellte ich fest, dass ich vergessen hatte Bilder zu machen, aber ich war froh das ich noch lebte.
In dieser aufgeheizten Atmosphäre tanzten einige französische Rockabillys auf den Tischen und schütten sich den Cidre über den Kopf. Das war ein Augenblick wo man spürt, das bleibt dir in der Erinnerung immer erhalten.
In der Nacht, auf der Heimreise herrschte im Bus absolute Ruhe, bis auf das wiederkehrende Zischen eines Kronenkorkens einer Bierflasche. Zu Hause angekommen, völlig kaputt und übermüdet, war der Körper noch so aufgedreht das an Schlaf nicht zu denken war.
Fazit: der Stress hat sich absolut gelohnt, eine weitere Seite im Buch der Erinnerungen.
Die Rockabillys in unserem Club gibt es schon lange nicht mehr, nach ein paar Jahren lösten sie sich auf, eine Zeiterscheinung in unserer Gesellschaft.
(H.E.)
Die Gruppe „Matchbox“ und ihre unsterbliche Musik gibt es noch immer, wie ein Blick auf ihre Homepage zeigt: http://www.rockabillyrebel.co.uk/